Muttas alte Schulzeugnisse bescheinigen ihr “ein gutes Verhalten in der sozialistischen Produktion”. Aber sie ordnet sich nicht immer “dem Klassenkollektiv unter”. Mutta ist auch öfter “inaktiv” was die gesellschaftliche Arbeit angeht.
Das hat die Lehrerin ganz gut getroffen. Bis heute ist Mutta gern für sich und lässt die Gesellschaft gern Gesellschaft sein. Und zwar am liebsten mit einem dicken Buch in der Hand. Schon zu DDR-Zeiten liest sie, was ihr zwischen die Finger kommt: Kitschromane und Shakespeare. Christliches und Sozialistisches.
Das war schon immer so: Lesen is besser als reden. Und beides hat sie wohl von ihrer Mutter gelernt. Die war auch belesen und verschwiegen. Das war “eisernes Gesetz” zu Hause – über persönliche Dinge wurde nicht gesprochen. Schon gar nicht, wenn sie unangenehm waren. Deshalb haben Mutta und ihre Schwester auch gar nicht erst gefragt: Wer denn eigentlich ihr Vater ist? Und warum der gar nicht bei ihnen lebt?
Auf Fragen gibt es eh keine Antworten. Also spielt Mutta Sherlock Holmes und sucht sich selber ihre Antworten. Und findet sie auch: Ein Zahlungsabschnitt über den Unterhalt klärt alles auf. Jetzt ist auch klar, warum dieser Mann aus dem Dorf öfter mit Bonbons auf sie wartet…
Muttas Mutter muss dann unfreiwillig noch ein Geheimnis lüften. Und findet das ziemlich furchtbar. Geheimnisse bewahren und schweigen: Das ist wahrscheinlich eine deutsch-deutsche Lektion, die Mutta hier lernt. Und so gar nicht einzigartig ostdeutsch. Sondern so ein Generationending.
Mutta lernt die Lektion so gut, dass sie die später auch selbst gern anwendet.
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